Magazinrundschau
Shiva war ein Kiffer
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
10.10.2023. Warum war Netanjahu so vertrauensselig gegenüber der Hamas, fragt der Militärhistoriker Edward Luttwak in Tablet. Der New Yorker fürchtet den Fischhunger der Chinesen. Harper's würde sich gern einen legalen Joint in Nepal drehen. Der Chronicle hält fest: Identitätspolitik ist keine Frucht der Postmoderne, sondern des Nationalismus. Somalier würden wohl widersprechen, lernt man in Africa is a Country. Rest of World wirft einen Blick auf die Lage der Feministinnen in China. Die New York Times erzählt, wie in Mexiko der Journalismus zerstört wird.
Tablet (USA), 09.10.2023
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Tablet ist ein jüdisch-amerikanisches Magazin mit sehr prononciert proisraelischem Standpunkt und nicht allzu scharfer Kritik an Netanjahu. Davon ist sicher auch die Kritik an Barack Obamas und später Joe Bidens Iran-Politik geprägt, die sich in einem Artikel Alana Newhouses und Jeremy Sterns findet, in dem die AutorInnen die wichtigsten Fragen nach den Pogromen vom Wochenende stellen wollen. Bei der Frage nach den Szenarien, die sich jetzt auftun, stellt sich auch die, ob ein militärischer Schlag Israels gegen den Iran möglich wäre. Nein, meinen sie: "Leider diktiert Amerikas Abkommen mit dem Iran auch hier die Antwort. Israel kann kaum gegen den Iran zurückschlagen, selbst wenn es das wollte, weil der Iran jetzt unter dem Schutz der Vereinigten Staaten steht, die das Regime mit regelmäßigen Geldlieferungen versorgen und versprochen haben, sein Atomprogramm zu schützen. Ein israelischer Angriff auf die iranischen Ölfelder oder ein Angriff auf das iranische Atomprogramm oder die Enthauptung des iranischen Regimes wäre wahrscheinlich gut für Israel und gut für die Region. Da es sich dabei jedoch um Schläge gegen die regionale Ordnung handeln würde, die von den Vereinigten Staaten ins Leben gerufen wurde und von ihnen unterstützt wird, würde ein Schlag gegen den Iran Israel in einen direkten Konflikt mit den Vereinigten Staaten bringen. Das ist ein zu großes Risiko für ein gespaltenes und traumatisiertes Israel."
New Statesman (UK), 09.10.2023
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London Review of Books (UK), 05.10.2023
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James Vincent unternimmt in seiner Besprechung von Keith Houstons Buch "Empire of the Sum: The Rise and Reign of the Pocket Calculator" einen Gang durch die Geschichte der "Gehirnprothesen", also der diversen Rechenmaschinen, die über die Jahrtausende entwickelt wurden, um die Beschränktheit unserer kognitiven Fähigkeiten auszugleichen. Ein wichtiges frühes Gerät war der Abakus, der im 17. Jahrhundert von dem auf logaritmischen Prinzipien beruhenden Rechenschieber abgelöst wurde. Schon damals wurden technische Neuerungen skeptisch beäugt, lernen wir, oft mit ähnlichen Argumenten wie heute: "Die Person, die für die Entwicklung der Erfindung am wichtigsten war, der Engländer William Oughtred (1574-1660), ein Pfarrer und Mathematiker, hielt den Rechenschieber bald für gefährlich, weil seine Einführung dazu führen könnte, dass Schüler die mathematischen Grundlagen nicht mehr lernen. 'Die richtige Art zu unterrichten ist nicht mit Instrumenten, sondern durch Demonstration', beschwerte er sich. 'Es ist ein Irrweg vulgärer Lehrer, mit Instrumenten zu beginnen, und nicht mit Wissenschaft, und die Schüler Tricks aufführen zu lassen, als wären sie Jongleure.'"
New Yorker (USA), 16.10.2023
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China hat seine Flotte an Fischereischiffen massiv erweitert - allerdings nicht nur zum Zwecke des Fischens und vor allem zu Lasten der Besatzungen, wie Ian Urbina zeigt. "Der chinesische Staat besitzt einen großen Teil der Industrie - inklusive rund zwanzig Prozent der Tintenfisch-Schiffe - und kontrolliert den Rest mit der Overseas Fisheries Association. Heutzutage konsumiert die Nation mehr als ein Drittel des Fisches auf der Welt. Die chinesische Flotte hat auch den internationalen Einfluss der Regierung erweitert. Das Land hat etliche Häfen im Rahmen seiner Belt and Road-Initiative errichtet, ein globales Infrastruktur-Programm, das dafür gesorgt hat, dass China zeitweise der größte Geldgeber für Entwicklungen in Südamerika, Subsahara-Afrika und Südasien ist. Diese Häfen erlauben dem Staat, Steuern zu umschiffen und regulierenden Behörden aus dem Weg zu gehen. Die Investitionen kaufen der Regierung auch Einfluss. 2007 hat China Sri Lanka mehr als dreihundert Millionen Dollar geliehen, um einen Hafen zu bauen. (Eine Firma im Besitz des chinesischen Staates hat den Auftrag umgesetzt.) 2017 war Sri Lanka, das kurz vor der Rückzahlung des Kredites stand, gezwungen, einen Deal einzugehen, der China Kontrolle über den Hafen und seine Umgebung für die nächsten 99 Jahre zusichert." Die menschenunwürdigen Bedingungen, unter denen gearbeitet wird, stehen dabei selten im Fokus: "Wie die Boote, die sie beliefern, sind auch die chinesischen Verarbeitungsstätten auf Zwangsarbeit angewiesen. Über die letzten dreißig Jahre hat die nordkoreanische Regierung ihre BürgerInnen gezwungen, in Fabriken in Russland und China zu arbeiten und neunzig Prozent ihres Einkommens - Summen, die sich auf hunderte Millionen Dollar belaufen - in Konten einzuzahlen, die der Staat kontrolliert. Die ArbeiterInnen sind oftmals stark überwacht und in ihrer Bewegungsfreiheit streng eingeschränkt. Sanktionen der UN verbieten solche Nutzung nordkoreanischer ArbeiterInnen, aber, chinesischen Regierungsschätzungen zufolge, haben letztes Jahr allein in einer nordöstlichen Stadt Chinas rund 80 000 NordkoreanerInnen gelebt."
Weitere Artikel: Emily Witt erzählt die Geschichte eines Trans-Teenagers auf der Suche nach einer angemessene Behandlung in den USA. Michelle Orange denkt über die Bedeutung von Madonna nach. Gideon Lewis-Kraus liest "Going Infinite", Michael Lewis' Buch über Sam Bankman-Fried, Gründer und ehemaliger CEO der inzwischen insolventen Kryptowährungsbörse FTX. Julian Lucas bespricht Teju Coles Roman "Tremor". Und Anthony Lane sah im Kino Justine Triets "Anatomy of a Fall" mit Sandra Hüller und Samuel Theis.
Elet es Irodalom (Ungarn), 29.09.2023
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Harper's Magazine (USA), 10.10.2023
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Außerdem: Rachel Cusk schreibt über die Macht der Mütter, auch wenn sie gestorben sind.
Chronicle (USA), 03.10.2023
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Africa is a Country (USA), 26.09.2023
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Rest of World (USA), 26.09.2023
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New York Times (USA), 09.10.2023
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Die Netflixserie "Tijuana" wurde leider nach einer Staffel eingestellt, sie erzählt ziemlich genau, wie Gewalt gegen Journalisten in Mexiko funktioniert.
En attendant Nadeau (Frankreich), 10.10.2023
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