9punkt - Die Debattenrundschau
Fragwürdige Pauschalsolidarität
Kommentierter Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
28.12.2020. Ok, nun hat es in letzter Minute doch noch einen Brexit-Deal gegeben. "Die Briten haben tatsächlich wichtige Ziele erreicht", sagt die Ökonomin Dorothea Schäfer in der taz - leicht wird's dennoch nicht. Fintan O'Toole erinnert im Guardian daran, dass die EU Britannien und Britannien der EU auch eine Menge Positives brachten. Der Streit um den "Weltoffen 5.3"-Aufruf geht weiter. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags bestätigt in einem Gutachten, dass die Ängstlichkeit der KulturfunktionärInnen unbegründet war: Eine Zensur findet nicht statt. Die Agenda der MandarinInnen war ohnehin eine andere, vermuten Stefan Laurin bei den Ruhrbaronen, Alan Posener in starke-meinungen.de und Thomas Schmid in der Welt.
Efeu - Die Kulturrundschau
vom
28.12.2020
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Europa
Ok, nun hat es in letzter Minute doch noch einen Brexit-Deal gegeben. Die Ökonomin Dorothea Schäfer wirft im Gespräch mit Ulrike Herrmann von der taz einen trockenen, aber kenntnisreichen Blick auf das Papier: "Die Briten haben tatsächlich wichtige Ziele erreicht. Sie können faktisch im Binnenmarkt bleiben, müssen dafür aber nichts mehr zahlen. Sie sparen jährlich etwa 6,8 Milliarden Euro netto." Trotzdem verlassen sie die Zollunion: "Der neue Handelsvertrag legt zwar fest, dass es keine Zölle gibt - trotzdem sind Zollformulare nötig. Das ist viel Bürokratie für die britischen Exporteure." Und die Dienstleistungen, so Schäfer, sind nicht Teil des Deals - und das betrifft den starken Finanzsektor. Hier erklären Dominic Johnson und Eva Oer Einzelheiten des 1.246-seitigen Papiers.
Der Brexit hat alles Positive überschattet, das die EU-Mitgliedschaft Britanniens für beide Seiten hatte. Der irische Kolumnist Finlan O'Toole möchte nach der Scheidung daran doch noch mal erinnern. Für Britannien bedeutete die Mitgliedschaft, (wenigstens vorübergehend) das Empire abschütteln zu können, schreibt er im Guardian: "Die Mitgliedschaft in der EU ermöglichte es Britannien tatsächlich, seine imperiale Vergangenheit zu überwinden und sich eine europäische Zukunft vorzustellen. Es sorgte dafür, dass der unvermeidliche Einfluss eines größeren politischen und wirtschaftlichen Blocks im Osten des Landes durch die Fähigkeit gemildert wurde, eine gleichberechtigte und respektierte Stimme innerhalb dieses Blocks zu haben. Sie gab Britannien eine Möglichkeit, in der Welt zu sein, die nicht von vergangener Größe abhing. Und die EU half dem Vereinigten Königreich, sein mit Abstand größtes internes Problem zu lösen: den Konflikt in Nordirland. Die direkte Beteiligung der EU am Friedensprozess mag marginal gewesen sein. Ihr indirekter Einfluss war unermesslich groß. ... Zu keinem Zeitpunkt in seiner Geschichte hat Britannien den Kontinent ohne Krieg so tiefgreifend geprägt. Zu keiner Zeit in seiner Geschichte hat es sich seinen Nachbarn gegenüber so sehr als Gleichberechtigter verhalten können, so wenig als Opfer von Größenwahn." O'Toole betont aber auch, dass die Anwesenheit Britanniens in der EU für diese vorteilhaft war - etwa bei der Osterweiterung.
In der FAZ blickt der ehemalige Bürgerrechtler und Politiker Richard Schröder auf die bleibende Vergrätzung in den Neuen Ländern dreißig Jahre nach der Vereinigung. Einer der Gründe ist, dass die Ostdeutschen anders als andere Osteuropäer keine langsame Transformation hatten, so seine These: "Die unvorbereitete Öffnung der Mauer hat alle Optionen für eine geordnete und zeitlich gestreckte Transformation vernichtet. Die anhaltende Fluchtbewegung gen Westen zwang dazu, die Währungsunion am Anfang der Transformation zu vollziehen statt als krönenden Abschluss eines mehrjährigen Transformationsprozesses. Vielen Ostdeutschen ist wohl bis heute nicht klar, dass ihr sehnlichster Wunsch, die D-Mark 1:1 und sofort, sehr viele Arbeitsplätze kosten musste."
Der Brexit hat alles Positive überschattet, das die EU-Mitgliedschaft Britanniens für beide Seiten hatte. Der irische Kolumnist Finlan O'Toole möchte nach der Scheidung daran doch noch mal erinnern. Für Britannien bedeutete die Mitgliedschaft, (wenigstens vorübergehend) das Empire abschütteln zu können, schreibt er im Guardian: "Die Mitgliedschaft in der EU ermöglichte es Britannien tatsächlich, seine imperiale Vergangenheit zu überwinden und sich eine europäische Zukunft vorzustellen. Es sorgte dafür, dass der unvermeidliche Einfluss eines größeren politischen und wirtschaftlichen Blocks im Osten des Landes durch die Fähigkeit gemildert wurde, eine gleichberechtigte und respektierte Stimme innerhalb dieses Blocks zu haben. Sie gab Britannien eine Möglichkeit, in der Welt zu sein, die nicht von vergangener Größe abhing. Und die EU half dem Vereinigten Königreich, sein mit Abstand größtes internes Problem zu lösen: den Konflikt in Nordirland. Die direkte Beteiligung der EU am Friedensprozess mag marginal gewesen sein. Ihr indirekter Einfluss war unermesslich groß. ... Zu keinem Zeitpunkt in seiner Geschichte hat Britannien den Kontinent ohne Krieg so tiefgreifend geprägt. Zu keiner Zeit in seiner Geschichte hat es sich seinen Nachbarn gegenüber so sehr als Gleichberechtigter verhalten können, so wenig als Opfer von Größenwahn." O'Toole betont aber auch, dass die Anwesenheit Britanniens in der EU für diese vorteilhaft war - etwa bei der Osterweiterung.
In der FAZ blickt der ehemalige Bürgerrechtler und Politiker Richard Schröder auf die bleibende Vergrätzung in den Neuen Ländern dreißig Jahre nach der Vereinigung. Einer der Gründe ist, dass die Ostdeutschen anders als andere Osteuropäer keine langsame Transformation hatten, so seine These: "Die unvorbereitete Öffnung der Mauer hat alle Optionen für eine geordnete und zeitlich gestreckte Transformation vernichtet. Die anhaltende Fluchtbewegung gen Westen zwang dazu, die Währungsunion am Anfang der Transformation zu vollziehen statt als krönenden Abschluss eines mehrjährigen Transformationsprozesses. Vielen Ostdeutschen ist wohl bis heute nicht klar, dass ihr sehnlichster Wunsch, die D-Mark 1:1 und sofort, sehr viele Arbeitsplätze kosten musste."
Gesellschaft
Es sind Arbeiter, vor allem männliche, die für rechtspopulistische Parteien stimmen. Das hat sich in Amerika gezeigt, und das zeigt sich in Deutschland, und zwar sowohl unter den tatsächlich Abgehängten in den Neuen Ländern als auch unter Arbeitern, die gut bezahlt und organisiert sind wie in Baden-Württemberg, schreibt Thomas Gesterkamp in der taz unter Bezug auf das Buch "In der Warteschlange" des Soziologen Klaus Dörre: "Alarmierend ist der Rechtstrend unter Arbeitern für den DGB und seine Gewerkschaften. Dass vor allem männliche Mitglieder keineswegs immun sind gegen Stammtischparolen, wird intern mit Sorge beobachtet, doch eine öffentliche Positionierung fehlt weitgehend. Man kehrt das Thema gefährlicherweise unter den Teppich, um es nicht aufzuwerten. Dörre legt mit seinem Klartext sprechenden Forschungsband also den Finger in eine offene Wunde - gerade im Hinblick auf die kommenden Landtagswahlen und die Wahl zum Bundestag im Herbst 2021."
Politik
Die Sahelzone verarmt immer mehr wegen des Klimawandels - das hat zuletzt Entwicklungshilfeminister Gerd Müller behauptet. Unsinn, ärgert sich Ulli Kulke in der Welt und empfiehlt die "Sahara-Studie" des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zur Lektüre, die das widerlege. Grund für die immer größere Armut sei vor allem eins: die hohe Geburtenrate in den Sahel-Ländern. Diesen Aspekt scheue die deutsche Entwicklungshilfe jedoch wie der Teufel das Weihwasser: "Die Solidarität mit den Frauen und die Einsicht in die Notwendigkeiten der Bevölkerungspolitik zur Rettung der Nahrungsgrundlage vieler Länder war und ist einer fragwürdigen Pauschalsolidarität mit 'der Dritten Welt', 'dem Trikont' nachgeordnet, wo viele Potentaten der Parole frönten, die Bevölkerungspolitik im Rahmen der Entwicklungshilfe wolle 'nicht die Armut beseitigen, sondern die Armen'. Sie verbarrikadiere angeblich den Weg der armen Länder zu Wohlstand, sie solle die Diskrepanz zwischen reichem Norden und armem Süden zementieren. Es ist eine widersinnige Floskel, die auch hierzulande bisweilen in einem Tonfall verbreitet wird, der suggeriert, Bevölkerungspolitik sei im Grunde ein rassistischer Ansatz, der ja wohl nur aus der Nazizeit stammen könne. Es ist dies ein folgenschweres Missverhältnis zweier Solidaritätsansätze, auch zulasten einer nachhaltigen Entwicklungspolitik nicht nur in den Ländern des Sahel."
Ideen
Schwerpunkt "Weltoffen"-Aufruf
Die Ängstlichkeit der Kulturfunktionäre war unbegründet. Sie hatten in ihrem Aufruf "Initiative GG 5.3 Weltoffenheit" ein zensorisches Klima beklagt, das sie im Bestreben, Israelboykotteure einzuladen, behindere. Unmittelbar vor Weihnachten brachte der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags ein Gutachten zur BDS-Resolution des Bundestags heraus und bestätigte, dass von dem Beschluss keinerlei bindende Wirkung ausgeht: Es handelt sich nur um eine feierliche Empfehlung der Bürgervetretung, über den sich die Damen und Herren von der Exekutive ungestraft hinwegsetzen dürfen. Hier des Text des Gutachtens als pdf-Dokument.
Welt-Autor Thomas Schmid vermutet hinter dem Aufruf ohnehin eine "verborgene Agenda": "Worum es eigentlich geht, hat - Volker Beck hat als Erster darauf hingewiesen - ausgerechnet der Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Marc Frings, formuliert. Er twitterte: 'Großartig, wie Initiative GG 5.3 #Weltoffenheit BDS zurück auf die Agenda gebracht hat. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat gesprochen.' Es geht also gar nicht darum, dem BDS ein Rederecht zu sichern. Es geht darum, ihn auf die Agenda zurückzubringen, ihn gesellschaftsfähig und zu einem anerkannten Akteur zu machen." Zuvor hatte schon der Grünen-Politiker Volker Beck in der Welt auf die BDS-ähnlichen Bestrebungen einiger christlicher Organisationen hingewiesen.
In der SZ begrüßt Thomas Oberender, Intendant der Berliner Festspiele, und einer der Betreiber des "Weltoffen 5.3"-Aufrufs das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes, das eigentlich vor allem zeigt, wie überflüssig der Aufruf war: "Die Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes zeigt, dass wir auf der Grundlage des Grundgesetzes arbeiten." In der taz stellt Stefan Reinecke BDS zwar als eine relativ erfolglose Bewegung dar, macht aber darauf aufmerksam, dass "im Globalen Süden weit mehr politische Aktivisten, Verbände, KünstlerInnen und Intellektuelle BDS unterstützen als in Europa".
Ruhrbaron Stefan Laurin empfiehlt zum Verständnis der Debatte Steffen Klävers' Buch "Decolonizing Auschwitz? Komparativ-postkoloniale Ansätze in der Holocaustforschung", das sich mit dem postkolonialen Blick auf den Holocaust befasst (Auszüge). Diesem Blick versuchten auch die Kulturfunktionäre Raum zu geben. Für Laurin ist die Debatte mit dem Historikerstreit vergleichbar. Nur eines könnte diesmal anders sein: "Zahlreiche Medien werden sich auf die Seite der Vertreter des Postkolonialismus stellen und sie verteidigen, ja, die Relativierung der Shoah als Erleichterung und Befreiung sehen. Historische Fakten wird man versuchen zu ignorieren. Was in den achtziger Jahren noch als reaktionär galt, wird sich nun als links, offen und multikulturell präsentieren, als Verkörperung eines neuen, längst überfälligen Denkens, das es nun auch in Deutschland zu verbreiten gilt."
Alan Posener setzt sich in seinem Blog starke-meinungen.de mit dem für ihn zentralen Satz des "Weltoffen 5.3"-Aufrufs auseinander: "Die historische Verantwortung Deutschlands darf nicht dazu führen, andere historische Erfahrungen von Gewalt und Unterdrückung moralisch oder politisch pauschal zu delegitimieren." Auch für Posener bedeutet das: "Hier geht es darum, einen Generalverdacht gegen den mühsam erreichten deutschen Konsens in Sachen Erinnerungspolitik zu verbreiten: Er richte sich gegen Deutschlands 'Weltoffenheit', die ja im nationalen Interesse liegt."
Nicht ganz vergessen sollte man, dass BDS selbst eine Boykottbewegung ist, die versucht, die hiesige Öffentlichkeit zu beeinflussen, schreibt Doron Rabinovici in der FAS: "Nicht nur alle jüdischen Israelis sollen international isoliert werden. Nein, sogar zum Boykott von jüdischen Kulturwochen in Berlin, in Wien oder Paris wird zuweilen aufgerufen, wenn hier israelische Bücher, Filme oder Musik dargeboten werden. Auf diese Weise geraten alle jüdischen Gemeinden automatisch ins Visier der BDS-Kampagnen."
===========
In der französischen Linken wird über den Sinn des Laizismus gestritten. Der ehemalige Libération-Redakteur und jetzige Anglistik-Professor Patrick Sabatier gehört zu den Verteidigern der entsprechenden Gesetze über Trennung von Staat und Religion: "Es wäre ein Fehler, ihren Geist zu trüben, der darin besteht, dass Religionen sich nicht den allgemeinen Gesetzen entziehen und die Grenze zwischen dem Privatbereich (Glaube) und dem öffentlichen Bereich (Leben in der Gesellschaft) verletzen dürfen. Es geht hier nicht um einen Kreuzzug, sondern um Wachsamkeit gegen den Angriff auf die Rechte von Männern und Frauen, den Religionen in sich tragen wie Wolken den Sturm."
Die Ängstlichkeit der Kulturfunktionäre war unbegründet. Sie hatten in ihrem Aufruf "Initiative GG 5.3 Weltoffenheit" ein zensorisches Klima beklagt, das sie im Bestreben, Israelboykotteure einzuladen, behindere. Unmittelbar vor Weihnachten brachte der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags ein Gutachten zur BDS-Resolution des Bundestags heraus und bestätigte, dass von dem Beschluss keinerlei bindende Wirkung ausgeht: Es handelt sich nur um eine feierliche Empfehlung der Bürgervetretung, über den sich die Damen und Herren von der Exekutive ungestraft hinwegsetzen dürfen. Hier des Text des Gutachtens als pdf-Dokument.
Welt-Autor Thomas Schmid vermutet hinter dem Aufruf ohnehin eine "verborgene Agenda": "Worum es eigentlich geht, hat - Volker Beck hat als Erster darauf hingewiesen - ausgerechnet der Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Marc Frings, formuliert. Er twitterte: 'Großartig, wie Initiative GG 5.3 #Weltoffenheit BDS zurück auf die Agenda gebracht hat. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat gesprochen.' Es geht also gar nicht darum, dem BDS ein Rederecht zu sichern. Es geht darum, ihn auf die Agenda zurückzubringen, ihn gesellschaftsfähig und zu einem anerkannten Akteur zu machen." Zuvor hatte schon der Grünen-Politiker Volker Beck in der Welt auf die BDS-ähnlichen Bestrebungen einiger christlicher Organisationen hingewiesen.
In der SZ begrüßt Thomas Oberender, Intendant der Berliner Festspiele, und einer der Betreiber des "Weltoffen 5.3"-Aufrufs das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes, das eigentlich vor allem zeigt, wie überflüssig der Aufruf war: "Die Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes zeigt, dass wir auf der Grundlage des Grundgesetzes arbeiten." In der taz stellt Stefan Reinecke BDS zwar als eine relativ erfolglose Bewegung dar, macht aber darauf aufmerksam, dass "im Globalen Süden weit mehr politische Aktivisten, Verbände, KünstlerInnen und Intellektuelle BDS unterstützen als in Europa".
Ruhrbaron Stefan Laurin empfiehlt zum Verständnis der Debatte Steffen Klävers' Buch "Decolonizing Auschwitz? Komparativ-postkoloniale Ansätze in der Holocaustforschung", das sich mit dem postkolonialen Blick auf den Holocaust befasst (Auszüge). Diesem Blick versuchten auch die Kulturfunktionäre Raum zu geben. Für Laurin ist die Debatte mit dem Historikerstreit vergleichbar. Nur eines könnte diesmal anders sein: "Zahlreiche Medien werden sich auf die Seite der Vertreter des Postkolonialismus stellen und sie verteidigen, ja, die Relativierung der Shoah als Erleichterung und Befreiung sehen. Historische Fakten wird man versuchen zu ignorieren. Was in den achtziger Jahren noch als reaktionär galt, wird sich nun als links, offen und multikulturell präsentieren, als Verkörperung eines neuen, längst überfälligen Denkens, das es nun auch in Deutschland zu verbreiten gilt."
Alan Posener setzt sich in seinem Blog starke-meinungen.de mit dem für ihn zentralen Satz des "Weltoffen 5.3"-Aufrufs auseinander: "Die historische Verantwortung Deutschlands darf nicht dazu führen, andere historische Erfahrungen von Gewalt und Unterdrückung moralisch oder politisch pauschal zu delegitimieren." Auch für Posener bedeutet das: "Hier geht es darum, einen Generalverdacht gegen den mühsam erreichten deutschen Konsens in Sachen Erinnerungspolitik zu verbreiten: Er richte sich gegen Deutschlands 'Weltoffenheit', die ja im nationalen Interesse liegt."
Nicht ganz vergessen sollte man, dass BDS selbst eine Boykottbewegung ist, die versucht, die hiesige Öffentlichkeit zu beeinflussen, schreibt Doron Rabinovici in der FAS: "Nicht nur alle jüdischen Israelis sollen international isoliert werden. Nein, sogar zum Boykott von jüdischen Kulturwochen in Berlin, in Wien oder Paris wird zuweilen aufgerufen, wenn hier israelische Bücher, Filme oder Musik dargeboten werden. Auf diese Weise geraten alle jüdischen Gemeinden automatisch ins Visier der BDS-Kampagnen."
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In der französischen Linken wird über den Sinn des Laizismus gestritten. Der ehemalige Libération-Redakteur und jetzige Anglistik-Professor Patrick Sabatier gehört zu den Verteidigern der entsprechenden Gesetze über Trennung von Staat und Religion: "Es wäre ein Fehler, ihren Geist zu trüben, der darin besteht, dass Religionen sich nicht den allgemeinen Gesetzen entziehen und die Grenze zwischen dem Privatbereich (Glaube) und dem öffentlichen Bereich (Leben in der Gesellschaft) verletzen dürfen. Es geht hier nicht um einen Kreuzzug, sondern um Wachsamkeit gegen den Angriff auf die Rechte von Männern und Frauen, den Religionen in sich tragen wie Wolken den Sturm."
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