Magazinrundschau
Balanceakt zwischen Zeugenschaft und Voyeurismus
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
08.04.2024. Compact ruft uns die ethnische Säuberung der Armenier in Bergkarabach zurück ins Gedächtnis. In Eurozine erinnert der ukrainische Schriftsteller Mykola Rjabtschuk indes daran, wie auch die Westeuropäer die Ukraine verleugneten. Bei Denik Referendum prognostiziert der tschechische Politologe Jiří Pehe das Verschwinden Mitteleuropas im Spalt zwischen dem Westen und Russland. Newlines möchte von Nigeria wissen, wie es mit den restituierten Benin-Bronzen weitergeht. Und der New Yorker erinnert am Beispiel der Warhol-Muse Candy Darlin daran, wie trans Personen auch während der Schwulenbewegung im New York der Siebziger ausgegrenzt wurden.
Compact (USA), 28.03.2024
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New Yorker (USA), 08.04.2024
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Newlines Magazine (USA), 08.04.2024
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Das Streiten über den Ramadan hat in Tunesien mehr oder weniger Tradition, erklärt Ahmed Nadhif, und verschafft uns einen geschichtlichen Überblick über die tunesische Debatte des Fastenbrechens. Es war der tunesische Präsident Habib Bourguiba, der den Stein ins Rollen brachte, indem er während der Fastenzeit im Jahr 1962 demonstrativ ein Glas Orangensaft trank und seine Mitmenschen aufforderte, es ihm gleich zu tun, erzählt Nadhif. Bourguiba bekam für seinen progressiven Anlauf nicht die Unterstützung, die er sich erhofft hatte - vielmehr forcierte er die Spaltung zwischen konservativen und modernistischen Kräften in Tunesien. Gleichzeitig wurde die Kontroverse um den Ramadan zum Barometer für die politische Stimmung im Land. Dieses Jahr allerdings ist der "heilige Monat seltsam ruhig", beobachtet Nadhif. Ein Grund zur Erleichterung ist das nicht. Seit Juli 2021 hat der autoritär regierende Präsident Kais Saied "sowohl die konservativen als auch die modernistischen Stimmen effektiv an den Rand gedrängt und den politischen Diskurs und die öffentliche Meinung monopolisiert. Diese Dominanz hat einen Schatten auf die übliche Inbrunst der Ramadan-Debatten geworfen und stellt eine deutliche Abweichung von der Norm dar. Man könnte diese Ruhe den konservativen Neigungen Saieds zuschreiben, der eine eher gedämpfte öffentliche Sphäre bevorzugt. Möglicherweise ist sie aber auch auf die harte wirtschaftliche Realität zurückzuführen, mit der die Tunesier konfrontiert sind, einschließlich der steigenden Lebenshaltungskosten und der weit verbreiteten finanziellen Belastung. Während die Bürger mit wirtschaftlicher Not zu kämpfen haben, tritt der Luxus, über Ramadan-Rituale zu debattieren, hinter dringenderen Sorgen zurück. Der gedämpfte Charakter des diesjährigen Ramadan spiegelt nicht nur die politische Stagnation wider, sondern auch die harte Realität des Alltags der Tunesier."
Im Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg kämpften die Hui-Muslime erbittert für China, heute steht das chinesische Regime den über 8 Millionen in China lebenden Hui-Muslimen feindselig gegenüber, schreibt Steven Zhou. "Mit Blick auf die Uiguren waren sie "zwar nicht das primäre Ziel des harten Vorgehens der Regierung gegen den Islam, aber sie werden dennoch zunehmend misstrauisch beäugt. Dieses Misstrauen zeigt sich nun in materieller Form. Eine Analyse der Financial Times von über 2.300 Moscheen in ganz China ergab, dass etwa drei Viertel von ihnen entweder von 'nicht-chinesischen' Merkmalen befreit oder sogar völlig zerstört wurden. Die islamische Symbolik wird vom derzeitigen Regime als Bedrohung für China angesehen. Die Geschichte der Hui-Integration ist jedoch eine Geschichte der Suche nach Koexistenz durch Rechtfertigung der Loyalität gegenüber der kaiserlichen und nationalen Führung. Die muslimische Präsenz in China besteht seit etwa einem Jahrtausend - unermesslich länger als die Herrschaft der Kommunistischen Partei Chinas. Zu dieser Geschichte gehört auch die Aufopferung von Hui-Leben während des antijapanischen Widerstands, bei dem religiöse Argumente von chinesischen Muslimführern aggressiv eingesetzt wurden, um die Beteiligung der Hui am Kampf gegen die Japaner zu fördern. All dies scheint im heutigen China vergessen zu sein, wo ein mehrheitlicher Ethno-Nationalismus herrscht. Es ist noch gar nicht so lange her, dass eine starke muslimische Gemeinschaft als wichtiger Bestandteil des Aufbaus einer Nation in China angesehen wurde. Jetzt wird die Han-Mehrheit Chinas durch eine zunehmende Welle der Unterdrückung gegen die muslimischen 'Randgebiete' des Landes ausgespielt, deren Loyalität als verdächtig gilt."
Eurozine (Österreich), 08.04.2024
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New Statesman (UK), 05.04.2024
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Lisa Klaassen beschäftigt sich währenddessen mit einem wenig kommentierten Aspekt russischer Machtpolitik: den teilweise durchaus erfolgreichen Versuchen, in Afrika an Einfluss zu gewinnen. Eine Schlüsselrolle kommt dabei ausgerechnet der berüchtigten Gruppe Wagner zu, deren ehemaliger Anführer Jewgeni Wiktorowitsch Prigoschin letztes Jahr den Aufstand gegen Putin geprobt hatte und bei einem Flugzeugabsturz starb. Inzwischen heißt die Gruppe nicht mehr Wagner, sondern Afrikakorps, wird von Prigoschins Sohn Pawel Jewgenjewitsch geleitet und unterstützt eine Reihe von Militärdiktaturen in Zentral- und Westafrika. "Die Entwicklung des Afrikakorps verfolgt zwei strategische Ziele. Zum einen geht es darum, einen Aufstand des jüngeren Prigoschin zu verhindern, zum anderen darum, Russland freie Bahn für seine Sicherheitspolitik in Afrika zu verschaffen. Der neue Name verschafft der Gruppe ein äußerst notwendiges Gegenmittel gegen die Folgen der Untaten, die die Gruppe Wagner im Namen der 'Anti-Terror Einsätze' der Gruppe beging. Aufgrund ihrer Treue zur Maxime Stalins, derzufolge die Menschen das Problem sind, wurde die Gruppe, laut einem Bericht des Economist, der Daten der NGO Armed Conflict Location and Event Data Project aufarbeitete, angeklagt, an Massakern beteiligt gewesen zu sein, die seit 2017 mehr als 1800 afrikanischen Zivilisten das Leben kosteten. Drei russische Zivilisten, die zu den vom Kreml unterstützten Wagner-Aktivitäten in Afrika recherchierten, wurden ermordet. Allein in Mali hat sich die Gewalt gegen Zivilisten verdreifacht, seitdem Wagner begonnen hat, das Vakuum zu füllen, das Frankreich hinterlassen hat."
Merkur (Deutschland), 01.04.2024
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Weitere Artikel: Der Politikwissenschaftler Armin Schäfer denkt über das Verhältnis von Repräsentation und Repräsentativität im Parlament nach.
Deník Referendum (Tschechien), 09.04.2024
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HVG (Ungarn), 03.04.2024
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Elet es Irodalom (Ungarn), 09.04.2024
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Boston Review (USA), 02.04.2024
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